04-12-2013
Tsukano architects: Haus ohne Aussicht in Japan
Tsukano Architects,
© Kenichi Asano,

Bei der zweiten Ausgabe des internationalen Architekturwettbewerbs von Floornature mit einer Nennung bedacht, handelt es sich bei dem Projekt des Japaners Michiya Tsukano um ein Wohnhaus fast ganz ohne Schnittstellen auf die Außenwelt. Die Oberflächen der Stirnseiten aus weiß verputztem Zement verwandeln das Haus in ein Objekt im architektonischen Maßstab, während die große Lichtmenge, die auf den urbanen Kontext reflektiert wird, die Isolierung des ganzen Volumens betont.
Die großen japanischen Städte haben eine so intensive Wohnbaugestaltung, dass jeder Bruchteil des Bodens genutzt wird. Oft ist die Lösung das Einbinden des Werks in unüberwindbare Grenzen, was somit jeglichen Dialog zwischen Innen und Außen vermeidet.
Michiya Tsukano treibt diese Entscheidung ins Extrem und schafft dabei innerhalb von vier anonymen Mauern einen neuen Außenraum, wo im Unterschied zum echten Umfeld die Ruhe und das Fehlen visueller Hindernisse dominieren. Das zweigeschossige Haus im Zentrum von Miyazaki ist nämlich auf einem Grundstück von nur 172 Quadratmetern errichtet worden. Im Norden liegt eine laute und stark befahrene Straße, auf den anderen Seiten ist es von Gebäuden umgeben, im Süden vor allem von hohen Wohntürmen. Diese Umgebungsbedingungen schließen jeden Vorteil einer Beziehung mit der Umwelt aus, deren Wahrnehmung komplett annulliert wird, mit Ausnahme des Lichts, das vom Hof im Osten und dem im Norden einfällt, der zur Eingangstür führt. Diese Tageslichtbeleuchtung ist niemals direkt: Sie wird auf den weißen Wänden reflektiert, von den transluzenten Scheiben gemildert, von den Flächen aus Birkenholz oder dem Sichtbeton mit den Maserungen der Schalungsbretter aufgenommen. Es ist kein starker Kontrast zwischen den Oberflächen und den Verkleidungen zulässig, sondern die Materialien reflektieren ihre eigene Farbe übereinander und erzeugen somit in den Räumlichkeiten ein diffuses monochromes Licht.
Lärm, Licht und Visionen von der Außenwelt scheinen absichtlich in einem harmonischen Akkord für das Wohlbefinden der Hausbewohner abgeschwächt zu sein. Die feindliche urbane Landschaft wurde somit ausgeschlossen und innerhalb der häuslichen Mauern neu gestaltet, wo zwei Höfe mit Kiesboden darauf warten, bepflanzt oder nach der persönlichen Idee des Außenraums von den Bewohner “gestaltet” zu werden.
Es gibt keinen externen privaten Raum, d.h. der Architekt hat diesen komplett ignoriert und die Grenzen zu den anliegenden Straßen unbestimmt gelassen und nur durch eine andere Gestaltung des Bodenbelags markiert. Der private Raum, der die Wohnung definiert, beginnt mit den weißen Mauern des Hauses.
Mara Corradi
Entwurf: Michiya Tsukano (Tsukano Architects)
Bauträger: Privat
Ort: Miyazaki (Japan)
Tragwerksplanung: Hiroshi Okamoto, Tomoe Tsukano
Bruttonutzfläche: 108,14 m2
Grundstücksgröße: 172,38 m2
Ende der Bauarbeiten: 2010
Struktur aus verputztem Zement
Verkleidungen und Fußböden aus Birkenholz und Zement
Bildnachweis: © Kenichi Asano
tsukano.jp