09-03-2022

Karim Nader: Villa auf den Felsen von Faqra, Kfardebian, Libanon

Karim Nader Studio,

Marwan Harmouche, Dia Mrad,

Faqra, Lebanon,

Ville,

“On the rocks”, oder: Der Wohnsitz auf den Felsen, von Karim Nader auf dem Berg Libanon. Er ist Wohnarchitektur und gleichzeitig ein Eingriff in die Landschaft. Der libanesische Architekt arbeitet mit dem Konzept des Mimikry in der Natur und den Potentialitäten von Beton und Glas, den Materialien des Nachkriegs-Beirut.



Karim Nader: Villa auf den Felsen von Faqra, Kfardebian, Libanon

“On the Rocks”: Diesen emblematischen Namen gibt der libanesische Architekt dem Projekt für eine Villa, die im Sommer 2021 in der libanesischen Ortschaft Faqra gebaut wurde. Die Idee, nach der Inspiration der Natur und den Eigenheiten des Geländes, auf dem das Haus stehen werden soll, zu bauen, wurde für eine neue Generation libanesischer Architekten zur Projektaufgabe. Ihre Arbeit ist grenzüberschreitend und von internationaler Wirkung.
Im Projekt der Villa in Faqra gelang es Karim Nader und seinem Architekturbüro, über die Reproduktion einer Form hinauszugehen, indem sie Materialien wie zum Beispiel Beton, der in diesem Land traditionell zum Bauen verwendet wird, der Morphologie des Standorts anpassen.
Das Architekturbüro verfolgt seit beinahe zehn Jahren diesen Weg. Es hatte gemeinsam mit Blankpage Architects an einem Wettbewerb gearbeitet, dessen Aufgabe die Entwicklung eines ca. 10.000 Quadratmeter großen Resorts auf einem Felsenriff in der Nähe von Qalaat war. Die archäologische Stätte ist für seine römischen und byzantinischen Ruinen berühmt, die zum UNESCO-Welterbe gehören. Obschon dieses Projekt nie verwirklicht wurde, wird aus den Plänen dafür ein Weg erkennbar, der Vieles mit demjenigen gemein hat, der später nicht weit davon entfernt mit der Villa auf den Felsen konkretisiert wurde. Unter anderem die Fähigkeit, sich trotz der gewagten architektonischen Formen mit dem Mimikry der Natur zu messen. Faqra liegt auf etwa 1700 Metern über dem Meer, am Rand der Gemeinde Kfardebian, auf dem Berg Libanon. Wir haben vor kurzem davon erzählt, in einem Artikel über den Bau eines privaten Wohnsitzes, der sich in einen aus Ferienhäusern und Resorts bestehenden Kontext einfügt - ein neu entstandener Wintersportort, der reiche Feriengäste aus der knapp 50 km entfernten Stadt Beirut anzieht. Die Villa von Karim Nader steht auf einem Grundstück mit felsigem Untergrund aus Kalkstein mit spektakulären, durch die Witterung erzeugten Erosionspuren. Von den Felsen und natürlichen Terrassen aus kann man die Landschaft bis zur libanesischen Mittelmeerküste überblicken. Aufgrund ihrer seltsamen Formen erscheinen diese Felsen, die im Volksmund “Geisterhäuser” heißen, wie viele rätselhafte Gestalten. Die herausstehenden und zerklüfteten Oberflächen wirken wie drapierte Stoffe. Die Beobachtung der zackigen Details und der Grautöne, die tagsüber je nach Lichtverhältnissen modulieren, war für das von Nader erarbeitete Projekt grundlegend. Wie er selbst bestätigt stammt immer daher die Intuition, die jeder kreativen Lösung zugrunde liegt, eine Art “spontane Synthese”, die für die jeweilige spezifische Situation als richtig erscheint und die dann anhand messbarer Kriterien zu prüfen ist (Materialien, finanzielle Mittel, Kundenwunsch, Bauvorschriften usw.).
Die Villa ist nicht aus Stein, wie es auf den ersten Blick scheinen mag, sondern man wählte ein Material, das im libanesischen Bauwesen mittlerweile Tradition geworden ist: Beton. Er kann sehr ähnlich wie Stein wirken, besonders durch die Wirkung der Zeit. Die Zimmer und viele verschiedene Zellen des Hauses wurden aus Beton gebaut, vielleicht inspiriert davon, wie sich Faqra entwickelt hat - der Ort ist keine Konurbation mit einem Zentrum und einer Peripherie, sondern ein weit verstreutes Ressort, das aus vielen über das Gelände verteilten Häusern besteht. Glas, das zum Material des neuen Beirut und des Wiederaufbaus nach dem Krieg wurde, vervollständigt hauptsächlich den großen Wohnbereich, der mit seinen weit ausladenden Transparenzen auf die umliegenden Täler gerichtet ist. Die massive und materielle Präsenz des grauen Volumens wird durch die Transparenz und den Eindruck der Unvollständigkeit, der durch die Glaswände entsteht, aufgelockert.
Ein großes Zinkdach bedeckt die ganze Fläche des Hauptgeschosses und umrahmt alle Räume. Was von Norden aus betrachtet wie ein einstöckiges, auf einem Felsen stehendes Haus aussieht, erscheint von Westen oder Süden her, von der Zugangsstraße aus, als Gebäude, das sich auf zwei weiteren Souterrains entwickelt, deren Vorhandensein von außen kaum erkennbar ist.

Den Bau durchflutet ein starkes Gefühl von Einheit; das Dach ist ein dünnes “Blatt”, das die einzelnen Teile, aus der die Wohnung besteht - Zimmer und auskragende Terrassen - schützt, beinahe ohne sie zu berühren. Die Platten der Außentreppe sind alle unterschiedlich und ungleichmäßig angeordnet, als wollten sie den Verlauf eines Naturwegs nachahmen.
Der fehlende Kontrast zwischen natürlich Entstandenem und künstlich Gebautem ist der Fähigkeit Naders zu verdanken, diese Synthese zu modulieren, bei der das eine vom anderen nicht unterscheidbar zu sein scheint, obschon sich der vertikale Verlauf der Felsen der Linearität der Stockwerke aus Beton widersetzt. Die Dynamik überrascht, die zwischen der gezwungenermaßen waagrechten Form des Dachs und der Platten und den kleinen, von Passagen und Fenstern unterteilten Wohnzellen entsteht - eine tarnende Imitation der Felsspalten. Die Zerlegung in Teile und die Materialstrukturen sind die Schlüssel zum Geheimnis, wie es möglich wird, dass dieses Projekt wie eine Ergänzung der Natur wirkt.

Mara Corradi

Location Faqra, Lebanon
Client : Private
Completion: summer 2021
Architect : Karim Nader www.karimnader.com
Project partner: Roula Assaf
Project Team: Karim Nader with Roula Assaf, Elie Christian Naameh, Yasmina Baladi, Omar Faress Darwish, Elias el Hage
Structural engineering: Elie Turk
MEP engineering: EAK Signature
Construction: MAK Builders
Project size:
450 square meters (family area) + 400 square meters (parking and services)
Photography: (01-07) Dia Mrad (completed), (08-13) Marwan Harmouche (under construction)
Sketch by Karim Nader (14)


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