28-04-2022

Kunststoffe, die Gegenrevolution: die Debatte ist eröffnet

Weil am Rhein, Deutschland,

Messen,

Kunststoff,

Antonella Galli, Vitra Design Museum, Design,

Die große Ausstellung Plastik: Die Welt neu denken, die derzeit im Vitra Design Museum zu sehen ist, behandelt eines der Phänomene, die die letzten hundert Jahre wesentlich beeinflusst haben: Die Entwicklung des Kuntststoffs, der sich von einer Ressource in ein globales Problem verwandelt hat. Kann Plastik vollkommen wiederverwertbar werden? Kann man auf Kunststoff in Zukunft verzichten? Schaffen wir es, die Welt zu säubern? Hier die Meinungen einiger Protagonisten der Debatte.



Kunststoffe, die Gegenrevolution: die Debatte ist eröffnet

Zwei Jahre Recherche, Diskussionen, Vergleiche: Die Experten des Vitra Design Museums in Weil am Rhein haben lange an den Inhalten und dem Ablauf der Ausstellung gearbeitet, die noch bis zum 4. September zu sehen ist und sich dem globalen Phänomen der Kunststoffe, ihrer Geschichte, ihrer Verwendung, den damit verbundenen Problemen und möglichen Lösungen widmet. “Kunststoff hat unser Leben geprägt wie kein anderes Material”, erklärt Sabrina Handler, Chief Operating Officer und stellvertretende Direktorin des Vitra Design Museums, “wenn wir einmal nachdenken, steckt er in fast jedem Gegenstand, den wir benutzen: Verpackungen, Lebensmittel, Schuhe, Autos, Möbel, Geräte. Bei dieser Untersuchung haben wir uns drei grundlegende Fragen gestellt: Was ist das Problem? Wie sind wir zu diesem Punkt gekommen? Was ist jetzt zu tun? In der Ausstellung haben wir versucht, sie zu beantworten, insbesondere im dritten Teil, in dem wir einige Erfahrungen und mögliche Lösungen vorstellen. Unsere Absicht ist es, nicht nur das Bewusstsein der Besucher zu schärfen, sondern auch zu handeln, Unternehmen, Designer, Verbraucher, Aktivisten und Politiker in einen Dialog zu bringen” Einer der zentralen Punkte der Debatte ist es, zu verstehen, warum und wo Kunststoffe wirklich unersetzlich sind (und sie in diesem Fall wiederverwertbar zu machen) und wo sie nicht notwendig sind: “Wir wollen sie nicht verteufeln” fährt Sabrina Handler fort, “sondern ihre Ambivalenz zwischen Versprechen und Problemen aufzeigen und den Wandel im Laufe der Zeit analysieren”.

Ineke Hans, eine niederländische Designerin mit Ateliers in Arnheim und Berlin, die sich der Herstellung von Möbeln aus recycelten und wiederverwertbaren Materialien verschrieben hat (ein von ihr entworfener Stuhl mit diesen Eigenschaften ist in der Ausstellung und in der ständigen Sammlung des Museums zu sehen), weist darauf hin, dass über 65% des seit Mitte des 19. Jahrhunderts, als die ersten synthetischen Materialien entdeckt wurden, produzierten Kunststoffs in den letzten zwanzig Jahren in Umlauf gebracht wurde. “Eine beeindruckende Zahl”, kommentiert sie, “das bedeutet, dass wir heute nicht mehr ohne Kunststoff leben können. Wir müssen verstehen, wie wir mit dieser Tatsache umgehen und die Verantwortung dafür übernehmen. Wissenschaftler und Designer können dies tun, aber auch der einzelne Verbraucher – und wir alle – denn die Hälfte des im Umlauf befindlichen Plastiks ist Einwegmaterial, also nicht wiederverwendbar und sehr oft in der Umwelt verstreut. Angefangen bei unseren Kaffeebechern und Wasserflaschen. Neue Materialien, wie z.B. Biokunststoffe, können eine Lösung sein, aber nur zum Teil, denn sie müssen bestimmte Leistungen garantieren und vor allem kostengünstig sein”.

Insiya Jafferjee, CEO und Mitbegründerin von Shellworks, einem Team von Wissenschaftlern, Ingenieuren und Designern, die die Zukunft von Verpackungen in Zusammenarbeit mit der Natur neu gestalten, arbeitet an diesem Thema: “Wir sind optimistisch mit einem kritischen Geist und wollen Lösungen für schwierige Probleme finden, wie z.B. die Unterwerfung unserer Zivilisation unter die Ölindustrie zu stoppen. Wir wollen einen neuen und leistungsstarken Verpackungsstandard aufbauen, der kosteneffektiv ud wirklich nachhaltig ist”. Nach zwei Jahren des Testens und Experimentierens haben sie Vivomer auf den Markt gebracht, ein vollständig veganes und kompostierbares Material, das mit Hilfe von nicht schädlichen Mikroben hergestellt wird: “Ich denke, Plastik ist ein erstaunliches Material, das wir übermäßig nutzen und missbrauchen&rdquo, erklärt Insiya, “denn wir verwenden es nur für kurze Zeit, während das Material eine sehr lange Lebensdauer hat. Es sollte durch Materialien ersetzt werden, die nur so lange halten, wie sie benutzt werden. Die Gründerin von Shellworks fordert eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern, Ingenieuren und Designern, denn Designer sind die wahren Vermittler zwischen den Bedürfnissen der Forschung und denen der Verbraucher: “Manchmal wissen diejenigen, die Materialien erfinden, nicht, wie man sie anwendet, während wir auf der anderen Seite, der der Nutzer, lernen müssen, das Material und sein Recycling zu beherrschen”.

Antonella Galli

All images relate to works or projects on display in the exhibition ‘Plastic: Remaking Our World’, now open at Vitra Design Museum in Weil am Rhein.

01 The Ocean Cleanup, the team separates plastic on deck after collecting it with the new System 002, October 2021. Courtesy of The Ocean Cleanup

02 Map of Synthetica, a continent of plastics, published in Fortune on 22 October 1940; Courtesy of Vitra Design Museum Archive

03 The Ocean Cleanup, System 002 during trial operation in the Great Pacific Garbage Patch, 2021. Courtesy of The Ocean Cleanup

04 Marco Cagnoni, Plastic Culture / Vertical Bioplastic Farm, 2018; Photo: Nicole Marnati

05 Shellworks, pots made of Vivomer, a bioplastic made with the help of microbes, 2021 Courtesy Shellworks, photo by Catharina Pavitschitz

06 Studio Formafantasma, Botanica, commissioned by Plart Foundation, 2011; photo by Luisa Zanzani

07 Klarenbeek & Dros in collaboration with Luma, microalgae cultivation for biopolymers;, photo by Antoine Raab, courtesy of Luma

08 Precious Plastic, shredded plastic; courtesy of Precious Plastic

09 Precious Plastic, machines for making recycled plastic materials (version 4); a shredder, an extruder and a sheet press. Courtesy of Precious Plastic


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