23-06-2022

Das Designtalent der Schweiz

Mailand,

FuoriSalone, Antonella Galli,

Kreisförmig, nomadisch, vielseitig: Die neun Prototypen junger Designer, die Pro Helvetia in der Gruppenausstellung Design Switzerland’s Living Spaces auf dem FuoriSalone in Mailand präsentiert, haben eine gemeinsame Sprache, die den Lebensstil auf rigorose Weise neu interpretiert, angefangen bei der Nachhaltigkeit und der Verbindung zum Territorium.



Das Designtalent der Schweiz

In der schönen Ausstellung Design Switzerland’s Living Spaces, die der Schweizer Kunstrat Pro Helvetia für die Mailänder Designwoche organisiert hat, sind alle Themen, die die zeitgenössische Forschungsszene beherrschen, präsent: Inklusion, Sorge um den Planeten und die lokalen Gemeinschaften, Nachhaltigkeit, Gleichberechtigung sowie die Wiederbelebung von Traditionen. Die Ausstellung präsentierte neun junge Designer und Studios aus der Schweiz und ihre getesteten Prototypen im Bereich der Inneneinrichtung, die von einer Jury, bestehend aus der Designerin Laetitia De Allegri und dem Unternehmer und Experten für den Kreativsektor Damon Bonser, ausgewählt wurden. Die Übereinstimmung mit den Grundsätzen, die die Auswahl geleitet haben, konnte auch in der Einrichtung wahrgenommen werden, die im Erdgeschoss der Casa degli Artisti in Brera eingerichtet und von Studio iiode unterzeichnet wurde. Sie wurde mit bewusst leichten Materialien geschaffen: strukturelle Kartonmodule für die jedem Projekt gewidmeten Sektoren und eine weiße aufblasbare röhrenförmige Serpentine, die von der Decke hängt, um die lange Halle zu vereinheitlichen und zu charakterisieren.

Das Studio Eidola zum Beispiel hat sich dem Thema Materialien mit seiner Ocean Articulated-Forschung gewidmet, bei der Salz und Sand aus dem Schweizer Oberrhein, einer Region, in der die Ablagerungen eines prähistorischen Ozeans und der Gletschererosion erhalten sind, zu einem temporären, aber widerstandsfähigen Material für Möbel werden. Die beiden Rohstoffe werden zu einer strukturellen und wiederverwertbaren Mischung verschmolzen, die nach einer einfachen Technik und mit minimaler Ausrüstung Objekte wie Tische und Hocker, aber auch Fliesen entstehen lässt, die sich durch eine raue Oberfläche und große Natürlichkeit auszeichnen.

Wiederum aus der Natur, aber dieses Mal aus Lebensmittelabfällen, hat die Designerin Noemi Niederhauser die Waste Matter-Forschung ins Leben gerufen: Die Malzreste von Lausanner Brauereien wurden mit einem organischen Protein kombiniert, um ein sperrholzähnliches Material zu erhalten, das für Möbel oder Platten verwendet werden kann. Aus einem Nebenprodukt der Lebensmittelindustrie wurde eine Alternative zur Verwendung von Holz geschaffen.

Andere Prototypen von Design Switzerland’s Living Spaces zielten auf die Vielseitigkeit der Möbel ab, um dem zunehmend nomadischen Lebensstil der neuen Generationen gerecht zu werden. Das ist der Fall bei dem Tischfuß Tricentro des Studios Salienti, das von den jungen Designern Walter Toccaceli und Matteo Messinese in Zürich gegründet wurde. Die Idee ist so einfach wie intelligent und geht von einer Überlegung aus: Der Tisch ist ein unverzichtbares Element für das Leben, aber sperrig und unflexibel. Warum also nicht eine faltbare Basis entwickeln, die leicht, einfach zu verstauen und gleichzeitig robust und rekonfigurierbar ist? Tricentro erfüllt diese Ziele: Drei Stahlrohrelemente, die durch ein Gelenk miteinander verbunden sind, dienen auf der einen Seite als Füße und auf der anderen als Stütze für jede Art von Tischplatte (vorzugsweise eine schwere). Dank des Gelenks können die drei Elemente verschiedene Konfigurationen annehmen, wobei das Gesamtgleichgewicht erhalten bleibt, oder sie können übereinander gefaltet werden, um den Raumbedarf zu minimieren. Tricentro ist langlebig, transportabel und funktional im Hinblick auf das Problem des begrenzten Platzes im Haushalt und den Bedarf an variablen Konfigurationen, sogar im Gastronomiebereich.

Anpassungsfähig und beliebig erweiterbar ist auch der Hocker Mingle der Designerin Shizuka Saito, die eine Ausbildung in Innenarchitektur an der Head-Haute École d'Art et de Design in Genf absolvierte, der Stadt, in der sie ihr Studio gegründet hat. Mingle besteht aus einem ausziehbaren Gitter, das an röhrenförmigen Füßen befestigt ist: Wenn er vollständig zusammengeklappt ist, ist er ein einsitziger Hocker; wenn er ausgezogen ist, wird er zu einer Bank, die in der Größe beliebig angepasst werden kann.

Zwischen Technologie und Tradition steht hingegen das Studio Vervig, ein von Luca Gorissé gegründetes Genfer Design-Atelier, das den Prototyp eines Raumteilers, Half Forgotten, zur Ausstellung mitgebracht hat: Er besteht aus handgeflochtener Kohlefaser, die die Rattanverarbeitungstechniken eines der letzten Schweizer Handwerker, die sie überliefern konnten, wieder aufleben lässt. Half Forgotten bewahrt nicht nur alte handwerkliche Techniken, sondern antwortet auch auf die Notwendigkeit, temporäre und modulare Trennungen in häuslichen Räumen mit einem Objekt zu schaffen, das widerstandsfähig und leicht sowie ästhetisch ansprechend ist, indem es zum Beispiel die Abgrenzung von Freizeitbereichen von Smart-Work-Bereichen erleichtert.

(Antonella Galli)

Captions and credits
The images are of the nine projects presented in the ‘Design Switzerland’s Living Spaces’ exhibition, organised by the Swiss Arts Council Pro Helvetia at the Casa Degli Artisti in the Brera area of Milan during FuoriSalone 2022. Installation by studio iiode. Courtesy of Pro Helvetia.

01 Studio Eidola, Ocean Articulated, a natural material made from salt and sand which can be used to make furniture and coverings, photo by Julia Ishac

02, 03, 11 Design Switzerland’s Living Spaces, photos by Alessandro Saletta - Dsl Studio

04 Studio Eidola, Ocean Articulated, photo by Alessandro Saletta - Dsl Studio

05 Noemi Niederhauser, Waste Matter, a research project investigating the reuse of waste malt products from breweries.

06 Salienti, Tricentro, foldable table leg system

07 Shizuka Saito, Mingle extendable stool, photo by Alessandro Saletta - Dsl Studio

08 Vevig, Half Forgotten, prototype for a hand-woven carbon fibre room divider

09 Sébastien El Idrissi, prototype for MCR1 coffee roasting machine, developed in conjunction with Mikafi

10 Shizuka Saito, Mingle extendable stool

12 Renaud Defrancesco Studio, Spot, floor and table lamp made of recycled aluminium

13 Mark Gerber Design, Conte armchair, long-lasting and repairable, it is made with local materials and by local craftsmen.

14 Alexandra Gerber Studio, Untitled, innovative framing system for artwork and photographs


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