20-01-2016
Erick van Egeraat und neue Müllverbrennungsanlage von Roskilde
Erick van Egeraat,
© Tim Van de Velde,
Ein 97-Meter-Turm erhebt sich über das Gebäude der neuen Müllverbrennungsanlage von Roskilde, die vom niederländischen Architekten Erick van Egeraat gestaltet wurde. Der Bezug zur Kathedrale der Stadt, die nicht nur ob ihres roten Backsteins weltbekannt ist als Wahrzeichen der sogenannten Backsteingotik sondern auch wegen der beiden Pinnakel in der Fassade.
Während man im letzten Sommer von der Müllverbrennungsanlage von BIG Bijarke Ingels Group in der Nähe von Kopenhagen sprach und die Crowdfunding-Kampagne auf Kickstarter für den Bau des Schornsteins lief (derzeit als Prototyp realisiert und in der Entwicklungsphase https://www.kickstarter.com/projects/smokerings/steam-ring-generator-for-worlds-cleanest-power-pla/posts/1383902), hatte Erick van Egeraat die Anlage von Roskilde bereits fertig gestellt.
Dänemark ist ein Land, das eindeutig fortschrittlich ist – nicht nur bezogen auf die Nachhaltigkeit der eigenen Erzeugnisse, sondern auch im Hinblick auf deren Aufwertung. Dem Architekten Erick van Egeraat ist es gelungen, eine Müllverbrennungsanlage in einen urbanen Bezugspunkt zu verwandeln und in eine leuchtende und ansprechende Architektur, die die Beziehung mit dem größten Wahrzeichen der Stadt und Weltkulturerbe der UNESCO, nämlich der Kathedrale, nicht scheut.
Von der lokalen Müllverwertungsfirma Kara/Noveren in Auftrag gegeben, besitzt die Architektur von Erick van Egeraat einen hohen metaphorischen Wert, der von ihrem Zweck herrührt: sie verwandelt mit den neuesten Techniken die von uns erzeugten Abfälle in Energie, in Strom, also genau das, in was sich das Werk des niederländischen Architekten buchstäblich verwandelt. Der wohl interessanteste Aspekt ist die doppelte Hülle. Diese passt sich nicht nur den technischen Baukörpern der Zentrale an, sondern bildet eine große dreidimensionale Anlage mit einer eigenen Identität, die aus der Landschaft mit den Merkmalen einer Landmarke hervorsticht. Wer auf der Autobahn Richtung Kopenhagen fährt, der sieht die wuchtige Müllverbrennungsanlage, aber die braune Oberfläche und die miteinander verbundenen Oberflächen, die aber nie gleichförmig sind, lassen eher an ein natürliches Element denken, fast an einen Berg ohne Bäume oder einen großen nackten Fals.
Dieser Effekt hängt mit der doppelten Verkleidung zusammen, wobei die interne als Wärmedämmung dient und die Außenhülle aus Aluminium ästhetischen Zwecken. Der gesamte braune Mantel, der seine Farbe im Laufe der Zeit ändert, ist unregelmäßig gelöchert, die mit Laserschnitttechnik realisiert wurden und die nach oben hin immer mehr werden und den 97-Meter-Turm beleben, der den Schornstein verkleidet. Das Gewicht des massiven Baukörpers wird so in der Leichtigkeit der Hülle aufgelöst. Doch das überraschendste Spektakel findet Nachts statt, wenn die Lichter zwischen den beiden Verkleidungsschichten leuchten. Indem nämlich alle Leuchtkörper unter der Gebäudehaut versteckt wurden, dringt das Licht nur durch die Löcher im Aluminium nach außen und wirkt aus der Ferne wie ein zweites Firmament.
Und im Gegensatz zu dem, was bei Industrieanlagen geschieht, die aus Sicherheitsgründen von Außen beleuchtet werden, strahlt die Müllverbrennungsanlage von Roskilde von ihrem eigenen Licht. Ihre Präsenz wird somit praktisch annulliert um den Nachthimmel mit neuen Sternen zu bereichern.
Mara Corradi
Architect: Erick van Egeraat
Project address: Håndværkervej 70, DK-4000 Roskilde (Denmark)
Client: Kara/Noveren
Programme: new waste to energy plant including reception hall, waste bunker, silo, control room
Gross floor area: 7400 sqm
Height: 97 m
Light elements: 190
Start competition design: 03-2008
Start design: 03-2008
Design phase: 2009-2012
Construction time: 2011-2014
Realisation: 09-2014
Scope of work: full assignment
Remarks: competition first prize, 2008
Photographs: © Tim Van de Velde
Drawings by Erick van Egeraat