08-04-2022

Behles & Jochimsen: Industrie- und Handelskammer Nürnberg

Behles & Jochimsen Architekten,

Marcus Bredt,

Nuremberg, Germany,

Buros,

Behles & Jochimsen schließt ein ehrgeiziges 8-jähriges Sanierungs- und Erweiterungsprojekt für die Industrie- und Handelskammer (IHK) Nürnberg ab. Eine Intervention, die funktionelle und flexible Büros in einem renovierten Bauwerk bietet, das mit den Merkmalen der Altstadt im Einklang steht.



Behles & Jochimsen: Industrie- und Handelskammer Nürnberg

Eine neue Beziehung verbindet nun den Nürnberger Hauptmarkt mit dem renovierten und erweiterten Sitz der Industrie- und Handelskammer im Herzen der Altstadt. Das Projekt, das aus einem Wettbewerb hervorging, wurde Behles & Jochimsen Architekten aus Berlin anvertraut, die einerseits ein einheitliches Bild des in verschiedene, im städtischen Kontext sichtbar uneinheitliche Abschnitte fragmentierten Gebäudes boten und andererseits die Innenräume neu organisierten, um sie zu verbinden und flexibel zu gestalten.
Einige der Gebäude wurden abgerissen, während andere renoviert, ihre Strukturen restauriert und technologisch angepasst wurden. Die Schließung der Gebäudefront um den ehemaligen Innenhof ermöglichte zum einen die Verbindung von sechs Gebäuden mit nur zwei Treppenaufgängen und zum anderen die Umwandlung des Innenhofs in ein überdachtes und lichtdurchflutetes Atrium, das die Öffentlichkeit empfängt und dem Bürosystem dient. Die Sanierung der erhaltenswerten Fassaden und die Schaffung neuer Fassaden mit für die Nürnberger Stadtarchitektur typischen Materialien stellte eine Verbindung zu den umliegenden Gebäuden, zur Sebalduskirche im Norden und insbesondere zum angrenzenden Hauptmarkt her.
Wir befinden uns in der Nürnberger Altstadt und im Herzen des Viertels, das historisch für den Handel der Stadt steht. Der Hauptsitz der IHK Nürnberg für Mittelfranken ist nicht nur ein Verwaltungsgebäude, sondern auch ein Symbol für die wirtschaftliche Position der Stadt. Der Komplex hatte bereits einen Blockplan um einen nicht umschlossenen Hof im Westen. Die aus verschiedenen Epochen stammenden und nicht unter Denkmalschutz stehenden Gebäude an der Waaggasse und dem Schulgässchen wurden zugunsten von Neubauten entlang der Nord-Süd-Achse abgerissen. Die Gebäude an der Winklerstraße und am Hauptmarkt wurden dagegen erhalten und den neuen Anforderungen angepasst.
Interessanterweise haben die archäologischen Ausgrabungen, die mehr als ein Jahr gedauert haben, ergeben, dass Nürnberg 200 Jahre älter ist als bisher angenommen.
Der Neubautrakt an der Waaggasse respektiert die für die Altstadt typischen Parameter Lochfassade und Steildach und fügt sich in Kontinuität mit den angrenzenden Dächern des Blocks, zu dem er gehört, ein, ohne den Gesamtrhythmus oder die Farbe zu stören. Erst bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass es sich um ein zeitgenössisches Volumen handelt, was sich in den neuen Verkleidungsmaterialien, der Größe der Öffnungen und dem zum Platz hin verschobenen Eingang zeigt und die Beziehung zwischen den beiden städtischen Orten unterstreicht.
Wenn man das Gebäude betritt, befindet man sich in einem großen Atrium mit einem Glasdach und Innenfassaden, die den Blick auf alle Büroräume auf vier Etagen freigeben. Dies ist der erste Empfangs- und Repräsentationsbereich des Hauptsitzes, der aufgrund seiner Größe und Großzügigkeit auch als Raum für Ausstellungen und Veranstaltungen konzipiert ist.
Der Abriss der Gebäude im Norden und Süden ermöglichte es, die Teile zu vervollständigen, größere und flexiblere Arbeitsbereiche zu schaffen, die Klarheit der internen Verteilung zu verbessern und die Höhenunterschiede zwischen den bestehenden Stockwerken zu minimieren. Oben im Penthouse befinden sich einige Büros und die Cafeteria für die Mitarbeiter. Die beiden rekonstruierten Flügel wurden durch Überbrückungsböden an der Ost- und Westseite des Atriums verbunden, die verglast sind, um die Innenfassaden der ursprünglichen Gebäude sichtbar zu machen. Die so gestaltete kontinuierliche Zirkulation zwischen den Etagen auf gleichem Niveau und die Nutzung der Lobby als zentraler Verteilerbereich hat alle Gebäude besser miteinander verbunden. Zwei Haupttreppenhäuser bieten Zugang zu den Etagen, eines ist das historische Treppenhaus des südöstlichen Eckgebäudes, das sich neben der Pförtnerloge befindet, das andere ist ein neues Treppenhaus im Nordwesten.
Während die Dächer des neuen zentralen Gebäudes in Ost-West-Richtung verlaufen, sind die Dächer der angrenzenden Gebäude in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet, so dass ein geschlossenes Viereck um das begehbare Dach entsteht. Das flache, teilweise verglaste Dach ist als große begehbare Terrasse konzipiert, die für Partys und Unterhaltung genutzt werden kann. Um schließlich eine engere Beziehung zum städtischen Kontext herzustellen und die zentrale Lage des Komplexes zu nutzen, werden die beiden strategischen Ecken und die gesamte Front entlang des Hauptmarktes als an Dritte vermietete Einzelhandelsflächen genutzt. Einer der Räume dient derzeit als Ausstellungsraum für die Akademie der Bildenden Künste Nürnberg. In der Waaggasse, neben dem Haupteingang, gibt es ein Restaurant mit einer großen Außenterrasse.

In Kontinuität mit dem Erscheinungsbild des Saalbaus im Westen wurde für die neue Fassade eine zweischichtige Natursteinverkleidung gewählt. Ein Sockel aus relativ dunklem, homogenem Wüstenzeller Sandstein, der sich auf die Höhe des angrenzenden unteren Teils des Eckgebäudes am Hauptmarkt bezieht, wird von einem helleren Schweinstaler Sandstein gekrönt, dessen charakteristische Färbung für ein lebhaftes Spiel auf der ansonsten glatten Oberfläche sorgt. Bündig mit der Verkleidung sind große Kastenfenster mit einem Hohlraum eingesetzt, die außen aus Aluminium und innen aus Eiche bestehen.
Mit einem überraschenden Ergebnis: An der Traufe "biegen" sich die Fenster mit der Dachneigung und werden oben zu Oberlichtern. Im Innenbereich wird diese Lösung genutzt, um lichtdurchflutete Lounges für Meetings oder private Gespräche zu schaffen, mit Blick auf die höchsten Baudenkmäler der Stadt.
Die Inneneinrichtung vermittelt ein Gefühl von Häuslichkeit durch die Verwendung von natürlichen und langlebigen Materialien, wie grünem Gneisgestein im Atrium und Jura-Marmor in den Treppen und Fluren, wie er häufig in historischen Gebäuden verwendet wird. Holz dominiert in den Eichenholzvertäfelungen im Atrium und dann in den Türen und Trennwänden der offenen Räume. Zusätzliche Akzente setzen besondere Räume, wie das blau gestrichene, doppelhohe Wohnzimmer mit Blick auf die Sebalduskirche oder die Cafeteria über dem Hauptmarkt, die durch grüne Wände und farbige Betonfliesen hervorgehoben wird.
Aus energetischer Sicht wurden die ursprünglichen Wände in allen Bereichen, in denen dies ohne Beeinträchtigung der denkmalgeschützten Bausubstanz möglich war, nachgerüstet, während die von Grund auf neu errichteten Teile einen Passivhausstandard bei der Dämmung erreichen.

Mara Corradi

Client: Nuremberg Chamber of Industry and Commerce for Middle Franconia, Nuremberg
Project management: GCA GmbH, 90461 Nuremberg
Architect: Behles & Jochimsen Architekten BDA, 10555 Berlin https://www.behlesjochimsen.de/
Team: Armin Behles, Laura Casado Albo, Jenny Dittrich, Matthias H nsch, Jasper Jochimsen, Iva Kocheva, Bela Schwier (PL), Simon Stahnke (PL)
Partner LPH 6-9/ Tendering and construction management: ganzWerk GmbH, 90402 Nuremberg
Structural engineering: LAP Leonhardt, Andr und Partner AG, 90419 Nuremberg
Mecanical engineering: Rentschler Riedesser GmbH, 70794 Filderstadt, Germany
Electrical engineering: Raible + Partner GmbH & Co. KG, 71254 Dietzingen
Building physics: Müller BBM GmbH, 82152 Planegg/Munich
Fire protection: Oehmke + Herbert GmbH, 90419 Nuremberg
Photos: Marcus Bredt, Berlin
Location: Hauptmarkt (Main Market Square), Nuremberg, Germany
Gross useable floor space: 12.000 sqm (one half new built, one half existing)
Competition: 2012
Start of work: 2013
Completion of work: 2021
Photographs: Marcus Bredt, Berlin


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