12-09-2022

3D-gedruckte auxektische Schuhe von Wertel Oberfell passen sich kontinuierlich der Fußform an

Design, Wertel Oberfell, Fashion,

Das deutsche Designstudio Wertel Oberfell, das seit Jahren an auxetischen Strukturen forscht, also an Strukturen, die sich unter Belastung ausdehnen, hat kürzlich ein Schuhmodell entwickelt, das eine klassische Form hat, sich aber jederzeit perfekt an die Fußform anpassen kann. Für das Unternehmen ist dies die erste Anwendung von auxetischen Strukturen im Bereich der Mode, nachdem es bereits einen Stock für Sehbehinderte entwickelt hat.



3D-gedruckte auxektische Schuhe von Wertel Oberfell passen sich kontinuierlich der Fußform an

Wertel Oberfell ist ein 2007 in Deutschland gegründetes Produktdesign-Studio mit Büros in Berlin und München, das kürzlich ein noch nie dagewesenes Schuhmodell auf den Markt gebracht hat. Es handelt sich um eine Stiefelette mit klassischem Schnitt, die jedoch aus einem 3D-gedruckten Material hergestellt ist, dessen vom Studio entwickelter Schnitt dafür sorgt, dass sich der Schuh zu jeder Tageszeit an die Ergonomie des Fußes anpasst.

Die Anpassungsfähigkeit des Schuhs von Wertel Oberfell liegt in den auxetischen Eigenschaften der von der Firma entwickelten Strukturen begründet. Die Besonderheit der auxetischen Materialien ist der negative Poisson-Koeffizient. Mit anderen Worten: Diese Materialien öffnen sich bei einer Zugspannung wie ein Regenschirm und dehnen sich quer zur Richtung der Spannung aus. Umgekehrt schließen sie sich, wenn sie auf Druck beansprucht werden, wodurch die Probe schrumpft. Bislang werden diese Strukturen vor allem für kugelsichere Westen, Verpackungen, Aufprallschutz, Schwämme und Geschirrtücher verwendet, aber die Anwendungsmöglichkeiten sind noch unbegrenzt.

Jan Wertel und Gernot Oberfell, die Gründer des Studios, erzählten uns in einem Interview über den Beginn ihrer Forschungen:"Wir arbeiten seit fast zwei Jahrzehnten mit dem 3D-Druck, zunächst für die Modellierung, aber Mitte der 2000er Jahre begannen wir, dieses neue Werkzeug auf experimentellere Weise zu nutzen und es mit den neuen Möglichkeiten der parametrischen CAD-Modellierung zu kombinieren. Unser erstes Projekt mit auxetischen Strukturen war ein weißer Stock für sehbehinderte Menschen, Sense Five. In diesem Fall wurde ein auxetisches Modell als Feedback-Element verwendet, das den Benutzer vor einem Hindernis warnt, indem es dessen Oberfläche verändert. Auxetic Wear begann Anfang 2022 nach einer eingehenden Untersuchung des Themas und der Erforschung anderer Verwendungsmöglichkeiten dieser unglaublichen Strukturen. Wir hatten mehrere Ideen, wie man sie verwenden könnte, von Möbeln bis zu medizinischen Produkten, aber schließlich entschieden wir uns für einen Schuh".

Warum habt Ihr Euch entschieden, mit einem Schuh zu beginnen?
"Der Schuh (oder Stiefel) war der beste Weg, um die ästhetische und funktionelle Seite der auxetischen Strukturen zu zeigen. Die Auxektik ist in der Lage, Bequemlichkeit zu gewährleisten, da er seine Form an einem bestimmten Punkt verändern und sich so an jeden Fuß anpassen kann. Unserer Meinung nach ist es auch sehr schön, vor allem in Bewegung, wenn es sich ausdehnt und zusammenzieht, und genau diesen Aspekt wollten wir hervorheben. Bei unseren Recherchen haben wir viele leistungsorientierte Turnschuhe gefunden, aber nicht so viele Schuhe für den täglichen Gebrauch. Wir hielten es daher für sinnvoller, etwas zu entwerfen, das ein breiteres Publikum ansprechen würde. Wir sind davon überzeugt, dass es manchmal interessanter ist, ein neues und unbekanntes Element in etwas bereits Bestehendes einzufügen.”

Was lässt sich über die ökologische Nachhaltigkeit Eures Projekts sagen?
"Im Moment ist das Design nicht unbedingt nachhaltig, da das von uns verwendete Filament nicht kompostierbar ist und es außerdem schwierig ist, den Schaft zu reparieren, weil wir die Elemente zusammengeklebt haben. Aber das ist nur ein Prototyp. Wir haben uns zunächst nicht für den 3D-Druck entschieden, sondern andere Methoden und Materialien ausprobiert (z. B. veganes Leder, das mit einem Schneideplotter geschnitten wurde), die sich später vielleicht noch als nützlich erweisen könnten, uns aber schließlich für den 3D-Drucker mit flexiblem Filament entschieden. Für die Modelle haben wir gebrauchte Sohlen recycelt, und das könnte eine weitere interessante Idee sein, gebrauchte Sohlen wiederzuverwenden und das Obermaterial daran anzupassen. Was die Vorteile betrifft, so haben wir den Druck sehr effizient gestaltet, indem wir das Element flach gedruckt und anschließend geformt haben; außerdem ist es ein einziges Material und daher leicht wiederverwertbar, und theoretisch könnte man argumentieren, dass die Produktionsmethode eine lokale Produktion ermöglicht, was den Einsatz lokaler Handwerker und minimale Transportanforderungen zur Folge hat (obwohl man das Material erst einmal transportieren müsste)."

Um den funktionierenden Prototyp des auxetischen Schuhs zu realisieren, war es notwendig, das Schuhmacherhandwerk zu erlernen, um die Muster zu studieren, die von der 2D-Oberfläche des Stoffes zur 3D-Form des fertigen Schuhs führen. Dieser Übergang von zwei zu drei Dimensionen, berichten Oberfell und Wertel, war einer der interessantesten Momente der Forschung und wird wahrscheinlich noch weiter entwickelt werden.

Die letzte Frage betrifft die kommerziellen Startmöglichkeiten und die künftigen Entwicklungen des Projekts. Die Antwort von Gernot und Jan ist ruhig, inspiriert und bodenständig:"Da es sich um ein so genanntes 'Lab'-Projekt handelt, also unabhängig und nicht gewinnorientiert, werden wir sehen, wann wir die nächsten Schritte unternehmen. Im Moment ist es eine Art Statement, das die Menschen inspirieren und vielleicht eine Diskussion in Gang bringen soll."

Cib

Project: Auxetic Wear by WertelOberfell
Designers: Jan Wertel, Gernot Oberfell
Project assistant: Rebecca Meixner

All images courtesy of WertelOberfell

http://www.werteloberfell.com/


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