22-03-2012

Architektur der Schichten

Haworth Tompkins,

Luisa Zanzani,

Design, gleichzeitig,

Feinsteinzeug,

Iris Ceramica,

abstract



Architektur der Schichten

Vom Minimalismus gekennzeichnet, hat das Design der letzten zwanzig Jahre zur Suche nach der archetypischen Form jeder Sache geführt und dabei dazu angeregt, Objekte, Materialien und Umgebungen zu gestalten, die auf das Wesentliche reduziert sind, befreit vom dekorativen Überbau und erschaffen aus den gründlichen Untersuchungen ihrer primären Bedeutung.
Das, was anfänglich einen Akt der intellektuellen Strenge darstellte, wird heute von den Designern überwunden, die das Gefühl der Komplexität als der Gegenwart angehörig behaupten: Es wird die Auflösung des Wirklichen in der Hauptdefinition, in der Spezialisierung verneint und die Interpretation bevorzugt, die aus der Ansammlung von Informationen, Bildern, Bedeutungen stammt, um zu einer Vervielfachung der Gesichtspunkte zu führen. Das Internet an sich führt nicht zum Kern der Konzepte, sondern öffnet ? wie ein umgekehrter Trichter ? Stufen der Möglichkeit.
Die Methode ist nicht mehr die, dass man nach dem Prinzip der Elimination gräbt und vertieft, sondern vielmehr alle kulturellen, emotiven und ästhetischen Schichten zu bewahren, die sich im Laufe der Zeit gebildet haben, um auf den Diskussionstisch eine Vielzahl möglicher Definitionen zu bringen. So werden also die sich überschneidenden stofflichen und konzeptionellen Niveaus des Projekts ? die einst nacheinander abgerissen worden wären ? mit großer Sorgfalt bewahrt, um es uns zu ermöglichen, deren finale Polyphonie zu bewundern.
Diese Sensibilität ist in allen kreativen Bereichen zu finden: Die aus Pflanzen gewonnen Polymerschichten in der Kollektion Botanica von Formafantasma, die Geschichte der Dekoration zusammengefasst in der Serie der Verkleidungen Kreo von Iris Ceramica, die dekorativen Pläne der Modelle für die Herbst-Winter-Saison 2012-2013 von Antonio Marras, die zeitlichen Überlappungen in der Architektur von Haworth Tompkins, das Bühnenbildhafte bei den Aufnahmen von Kevin Mackintosh für Baccarat, der Einsatz des Lichts bei der Interpretation des Feinsteinzeugs Luminar von Granitifiandre.
Vielleicht ist das der Grund, weshalb auch heute noch ein Bauwerk wie die Aya Sofya in Istanbul, die in sich die Zeugnisse der Umwandlung von christlicher Basilika zur Moschee bis zum heutigen Museum trägt, so große Bewunderung hervorruft.

Mara Corradi


01_Formafantasma, Koll Botanica, Objekte aus natürlichen Polymeren, kuratiert von Marco Petroni, Fondazione Plart, 2011, ph. Luisa Zanzani
02_Formafantasma, Kollektion Botanica, Objekte aus natürlichen Polymeren, kuratiert von Marco Petroni, Fondazione Plart, 2011, ph. Luisa Zanzani  2011
03_Iris Ceramica, Kollektion Kreo, Fußböden und Verkleidungen, die von der keramischen Tradition inspiriert sind. Dekorationen im Stil der 70er Jahre mit modernen Farben für die Gestaltung der eigenen Wohnung
04_Antonio Marras, Damen-Kollektion Herbst-Winter 2012-2013, Mailand
05_Haworth Tompkins, Dovecote studio, Campus für Aldeburgh Music in den Ruinen eines Taubenschlags, Suffolk (UK), 2009
06_Haworth Tompkins, Dovecote studio, Campus für Aldeburgh Music in den Ruinen eines Taubenschlags, Suffolk (UK), 2009
07_Werbekampagne Baccarat, Weihnachten 2011, Ph. Kevin Mackintosh, set di Daryl McGregor
08_Granitifiandre, Koll Luminar, Fußböden aus Feinsteinzeug für Interior Design: Feinsteinzeug, das Licht erzeugt und reflektiert
09_Hagia Sofia, Istanbul, Kirche erbaut von Kaiser Justinian im Jahr 537 n.Chr., von Sultan Mehmet dem Eroberer in Moschee umgewandelt und von Atatürk 1934 zum Museum umgenutzt
10_Hagia Sofia, Istanbul, Detail der vergoldeten Mosaike unter dem Putz


×
×

Bleiben Sie in Kontakt mit den Protagonisten der Architektur, abonnieren Sie den Floornature-Newsletter