09-09-2020

Bak Gordon: Haus in rua Costa do Castelo, Lissabon

Ricardo Bak Gordon,

Francisco Nogueira,

Lissabon,

Ville,

Das Haus an der Rua Costa do Castelo in Lissabon, das fest an seinem Standort, dem Hügel unterhalb des Castelo de São Jorge, verwurzelt ist, ist eine der interessantesten Wohnbauten von Ricardo Bak Gordon. Das Projekt des portugiesischen Architekten kombiniert zwei Gebäudetypen, Wohnung und Stadtvilla.



Bak Gordon: Haus in rua Costa do Castelo, Lissabon

Unter den Protagonisten dieser Generation portugiesischer Architekten, die die mit Álvaro Siza geborene und mit Eduardo Souto de Moura entwickelte Schule weiterführen, ist Ricardo Bak Gordon einer der interessantesten Vertreter des aktuellen nationalen Szenarios. Zu seinen größten Werten gehört, dass er die Prinzipien der volkstümlichen Kultur und den Reichtum der lateinischen Welt in einer Architektur niedergelegt hat, die die alltäglichen Gesten des Wohnens betont. Als jüngstes Beispiel für seinen Weg, eine Philosophie der Räume und Beziehungen aufzubauen, finden wir das Haus in der Rua Costa do Castelo in Lissabon, Projekt, das 2013 begonnen und 2019 abgeschlossen wurde.
Wie der Name schon sagt, befindet sich die Straße des Hauses am Fuße des höchsten Hügels der Altstadt, auf dem die Überreste des Castelo de São Jorge stehen, mit Blick auf Lissabon. Die Wohngebäude entlang dieser Straße bilden einen vier- oder fünfgeschossigen Gebäudevorhang und erheben sich, dem Hang folgend, noch höher bei jenen, die häufig als Höfe oder Gärten genutzt werden. Aus einem topographischen Grund hat das von Bak Gordon entworfene Haus auf den ersten vier Ebenen überlappende Räume mit Blick auf die Straße und folgt damit dem Trend des typischen Wohnhauses in Lissabon, um sich dann deutlich zu verändern und auf der letzten Ebene zu dem zu werden, was Federico Tranfa eine “Stadtvilla” nennt. Dabei bringt er zwei verschiedene Gebäudetypologien zusammen, indem er zwei unterschiedliche Wohnformen kombiniert, die der täglichen Erfahrung großen Wert schenken.
In den unteren Etagen sehen wir eine Art städtisches, introspektives und privates Leben. Das Erdgeschoss wird als Garage für Autos und Motorräder mit Auto- und Fußgängerzugang genutzt: das Steinpflaster setzt das der Straße fort und behandelt diesen Raum des Hauses, der sich öffnet, aber vom Rest isoliert bleibt, so als sei er Teil derselben Straße. Wenn man nach oben geht, trifft man zuerst auf einen großen Raum, der das Arbeitszimmer und die Bibliothek ist, und dann auf zwei Stockwerke mit dem Schlafbereich. Alle sind nur in eine Richtung ausgerichtet, entlang der Rua Costa do Castelo, während sich auf der gegenüberliegenden Seite, an den Hügel gelehnt, Treppen und Aufzüge befinden. Der abrupte Typenwechsel ist nur auf der letzten Ebene zu spüren, die drei miteinander verbundene Räumlichkeiten, Küche, Esszimmer und Wohnzimmer beherbergt; hier ist die Front bezogen auf die anderen nach hinten versetzt, weil der überdachte Raum zugunsten eines Gartens reduziert ist. Das Haus selbst, mit großen Fenstern und Innenansichten, ist eine Erweiterung des Grüns, das sich darüber hinaus bis zur Küste unterhalb des Schlosses erstreckt. Hier beherbergt eine C-förmige Stahlbetonkonstruktion aus Sichtbeton den Swimmingpool und bietet eine zusätzliche naturalistische Landschaft zum Blick auf das Haus. Das Wohnerlebnis scheint abgeschlossen zu sein, aber die besondere Beschaffenheit des Geländes erlaubt es dem Planer, die unzugänglicheren und weniger genutzten Bereiche zu verwenden, indem er einen fast versteckten Weg schafft, der zuerst zu der Aussichtsplattform mit Blick auf den Pool und dann zu einer letzten Terrasse führt, die sich direkt unter den Stützmauern des Schlossparks befindet.
Ricardo Bak Gordon verstärkt damit eine Perspektive, die für jeden als eher zufällig verstanden wird, nämlich die bei dem Besuch des Castelo de São Jorge und dessen Belvedere. Stattdessen können die Hausbesitzer die Betrachtung des Flusslaufs des Tejo im Süden und den Blick auf die Altstadt und den Rossio-Platz im Westen zu einem täglichen Erlebnis machen. Die Beobachtung des Projekts im Querschnitt zeigt, auch aus schematischer Sicht, wie intim die der Straße zugewandten Stockwerke sind, und wie das höchste Stockwerk extrovertiert ist, damit es den geselligsten Umgebungen angemessen ist. Was die Oberflächenbehandlung anbelangt, lässt Bak Gordon den Stahlbeton der Konstruktion in den Dachuntersichten, im Treppenhaus, im Kamin und überall in den Fußböden sichtbar, wodurch ein Kontrast zu den weiß verputzten Wänden und den antiken oder hellen Holzmöbeln entsteht.
Betrachtet man dieses Projekt als Ganzes, so kann man sagen, dass eine Beziehung zur Rua fast verneint wird: es gibt keine Balkone, nur wenige Aussichtspunkte. Der gesamte Dialog mit der Stadt spielt sich im obersten Stockwerk ab, wo sich Intimität und Geselligkeit treffen, wo das Haus seinen Wert als landschaftliche Komponente zum Ausdruck bringt.
Die allgemeine Nüchternheit ist eine der authentischsten Figuren im Werk dieses Architekten, der die Fähigkeit besitzt, das Potenzial des ihm zur Verfügung stehenden Ortes zu verstehen und bis zum Äußersten zu steigern, denn sein Ziel ist niemals Selbstreferenzialität, sondern vielmehr Verständnis und tiefe Verwurzelung im Gefühl des Ortes.

Mara Corradi

Architects: Ricardo Bak Gordon
Collaboration: Ana Carolina Campos, Gonçalo Frias, José Pedro Cano, Luís Pedro Pinto, Nuno Costa, Pedro Pedro
Site location: Rua da Costa do Castelo, Lisboa
Client: Private
Contractor: Manuel Mateus Frazão Lda
Consultants: F&C (Landscape architecture), Betar (Foundations, Structures and Geological Survey), prom&E Consulting (Electrics, Telecommunications, Security, Acoustics and Mechanics), Campo d' Água (Hydraulics)
Areas: 465 sqm construction area
Project: 2013-15
Works completion: 2019
Photography: © Francisco Nogueira


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