Diese Art der Sensibilität hat den Besitzer eines kleinen Bootshauses an der Nordwestküste Norwegens dazu gebracht, dem Büro den Auftrag für die Gestaltung eines neuen Ferienhauses anzuvertrauen, das den Vorbestand ersetzen ohne dabei dessen Geist und Präsenz verlieren sollte.
Im 19. Jahrhundert waren die norwegischen Küsten voller Bootshäuser, von denen die Fischer für ihre Ausfahrten auf dem Meer losfuhren und abends mit dem Fang des Tages zurückkehrten: Kleine traditionelle Architekturen, Schutz für das Boot und die Fischerausrüstung. Heute ? mit dem langsamen Aussterben des Berufs ? bleiben wie angeschwemmte Wracks viele Holzhäuser übrig, die zu Ferienanlegestellen umfunktioniert wurden, von denen aus man in Einsamkeit die Aussicht genießen kann.
Der schlechte Zustand, in dem sich das Bootshaus aus der Mitte des 19. Jahrhunderts befand, hatte eine Renovierung unmöglich gemacht und den Abriss und Neuaufbau erfordert. Diese Tätigkeit wurde von TYIN mit großer Aufmerksamkeit auf die Rückgewinnung der ursprünglichen Materialien ausgeführt, denen nicht mehr benutzte und restaurierte Komponenten zugefügt wurden, die aus benachbarten Gebäuden stammen, wie die alten Fenster eines Bauernhauses in der Nähe, die zum gestalterischen Modul geworden sind, mit dem der Abstand zwischen den Pfeilern der neuen Architektur definiert wurde. Der Wille zur Wiederverwendung der größtmöglichen Menge von Teilen des alten Bootshauses trägt dazu bei, dass sich dieses Bauwerk, dem eine archetypische Form verliehen wurde, gerade durch die Summe der Schichtungen auszeichnet ? als mögliche Niveaus der Lesarten der Ortsgeschichte anhand der Baustoffe. Besonders interessant sind die dekorativen Einlegearbeiten der zweiflügeligen Tür, die auf das Meer blickt.
Nach der Konstruktion des Tragwerks aus weiß angestrichenen Pfeilern und Trägern vor Ort wurden die Böden und die Paneele der Fassade hinzugefügt, alles in Einem mit der Überdachung aus norwegischer Tanne: Die Tafeln wurden mit einem speziellen Produkt behandelt, das aus dem biologischen Abfall der Zuckerproduktion stammt (Kebony). Während zwei Fronten des Bauwerks fix sind, öffnen sich die anderen beiden auf die Landschaft, auf das Meer und auf eine Terrasse, die den Innenboden aus Tannenholztafeln nach Außen verlängert: Die längere Fassade, die auf die Terrasse blickt, besteht aus Klapptüren, die die Grenzen des Hauses im Sommer verlängern und die Natur umarmen.
Mara Corradi
Entwurf und Realisierung: TYIN tegnestue Architects
Mitarbeiter: Marianne Løbersli Sørstrøm, Yashar Hanstad
Bauträger: Stein Erik Sørstrøm
Ort: Aure, More og Romsdal (Norwegen)
Planungsbeginn: 2010
Ende der Bauarbeiten: 2011
Verkleidungen aus norwegischer Tanne
Fußboden aus norwegischer Tanne
Bildnachweis: © Pasi Aalto
www.tyintegnestue.no