10-02-2016

Architekturen in Barcelona laut Josep Lluís Mateo

Josep Lluís Mateo,

Barcelona, Spanien,

Residenzen, Housing,

Modern,

Sanierungs,

Wir sprechen mit Josep Lluís Mateo über Barcelona, nachdem seine App für Touristen und Architekten - “BCN architecture guide”, - erschienen ist, die man kostenlos auf seiner Webseite herunterladen kann. Was man sehen sollte oder auch nicht, laut Josep Lluís Mateo. Entdecken wir mit ihm die nicht so bekannte und weniger touristische Stadt Barcelona.



Architekturen in Barcelona laut Josep Lluís Mateo

Barcelona und Gaudí, das ist eine ziemlich banale Verknüpfung, die wir machen, unabhängig davon ob wir Architekten oder einfache Touristen sind. Ist es Ihnen zufolge möglich, nach Barcelona zu kommen und dabei – wenigstens ein Mal – Gaudí zu ignorieren? Welche Architekturen und welche Wege könnten ihn in den Schatten stellen?

Sicher ist es möglich, nach Barcelona zu kommen, ohne dass man sich das Werk von Gaudí anschaut. Oder besser, man kann das auch sehen, aber eben “en passant”, im Vorbeigehen, in seinem Ambiente und in seiner Welt… 
Barcelona ist eine Welt und es kann sehr spannend sein, versuchen, sie zu entziffern und zu verstehen. Es handelt sich um einen komplexen Organismus, der aus vielen Mosaiksteinchen besteht. Und es ist gleichzeitig auch sehr schön und faszinierend, die Teile und das Ganze verstehen zu wollen. 
Es gibt natürlich verschiedene Wege. Ich empfehle dabei wärmstens mindestens zwei. Der erste: Die lokale gotische Architektur erkunden, die sich deutlich von der französischen Gotik unterscheidet (Santa María del Mar, la Lonja, las Atarazanas…). Hier ist es der Raum, der einen begeistert, die Formen haben hier weniger Bedeutung. Ein anderer Weg, den ich empfehlen kann, ist der der modernen Architektur in der Stadt, von den 1930er bis in die 1950er Jahre, von den ersten Werken von Josep Lluís Sert zur Modernen der zweiten Generation des Meisters José A. Coderch. Es ist eine starke, energische Linie, die einen Teil unserer Gegenwart erklärt. 

Sie leben, arbeiten und bewegen sich täglich in dieser Stadt. Welches sind die Orte, die Sie aus verschiedenen Gründen bevorzugen, wo Sie gerne vorbeigehen und vielleicht auch verweilen, und die Sie vermissen, wenn Sie diese über eine gewisse Zeit nicht sehen?
Was mich an Barcelona interessiert, ist die Beziehung mit der Natur. Der Übergang von den Bergen zum Meer über die Ebene. 
Meine Bezugsorte sind die Berge: die Stadt von oben betrachten, mit dem blauen Hintergrund. Aber auch umgekehrt, zum Meer hinuntergehen, den Hafen vor sich haben, wo der Raum sich öffnet und das Licht sich ändert. 
In den Bergen und am Meer habe ich meine Bezugspunkte, meine “Zufluchtsorte”. Zwischen diesen erstreckt sich die braune Masse der Stadt, die ich frequentiere, wenn ich sie auf der Durchfahrt durchquere. 

Wählen Sie unter den Projekten, die Sie hier in der Stadt realisiert haben – von den Wohnhäusern in Passatge Marimon 5 über das Film Theatre of Catalonia bis hin zur Sanierung des Markts “del Ninot” - das, an dem Sie am meisten hängen und erzählen Sie uns gestalterische Anekdoten und Besonderheiten, die mit den Menschen und der Geschichte des Ortes verbunden sind.

Ich hänge ein bisschen an allen. 
Die Filmothek ist zweifelsohne das komplexeste dieser Projekte. In der Altstadt, im Ellbogenkontakt mit der Geschichte aber auch mit Armut und Marginalität, die in der Vergangenheit eine Konstante dieser Gegend waren. 
Das Gebäude hatte vor, die soziologische Modernität in eine besonders heruntergekommene Gegend einführen. 
Der Leiter des Zentrums, Esteve Riambau, erklärte mir, wie das Gebäude nicht nur die Anzahl der neuen Nutzer steigert, sondern sich auch gleichzeitig gut mit den üblichen Nachbarn integriert hat… 
Riambau erzählte mir ganz aufgeregt, dass er Veranstaltungen über den neorealistischen italienischen Film programmiert hat, wobei die Vorführung von “Rom, offene Stadt” ein besonderes Highlight war. Diese Vorführungen wurden mit großer Begeisterung von einer beachtlichen Delegation von Prostituierten der Gegend verfolgt, die sich auf diese Weise das Gebäude zu eigen gemacht haben… “Wir haben triumphiert”, freute sich Riambau. 


Und zum Schluss eine etwas provozierende Frage. Wir möchten gerne wissen, welche der neuen Bauwerke, die nicht von Ihnen stammen, Sie besonders mögen oder welche hingegen Ihnen nicht zugesagt haben und die Sie anders gemacht hätten. Natürlich mit Begründung. 
Da gibt es verschiedene. Es ist nicht mehr ganz neu, aber der Eingriff am Meeresufer (Richtung la Barceloneta) von Olga Tarrasó und Jordi Henrich.
Was mir hingegen diskutabel erscheint ist das Hotel W, das ebenfalls am Meeresufer steht (von Ricardo Bofill). Es stört die Perspektive der Stadt und fügt einen fürchterlichen Baukörper ein (eine Kopie des deren, aus Dubai), der in dem Gesamtausblick der Stadt zum Meer hin platziert ist. Das stört, ist vulgär, alt und grob. 

Mara Corradi

Bilder:
Santa María del Mar: http://barcelona-home.com/blog/es/basilica-de-santa-maria-del-mar/
La Lonja: http://www.ginabarcelona.com/ca/project/rehabilitacio-de-ledifici-de-la-llotja#.VlXQj3YveUk
Josep Lluís Sert in Muntaner St.: http://milerenda.blogspot.com.es/2011/10/calle-muntaner-2-parte-de-la-via.html
Moderno de 2ª generación de José A. Coderch in J. Sebastian Bach St.:  https://ca.wikipedia.org/wiki/Josep_Antoni_Coderch_i_de_Sentmenat
Filmoteca: ©Adrià Goula Photo
Barceloneta seafront by Olga Tarrassó and Jordi Henrich http://www.catalan-architects.com/ca/projects/50440_Barceloneta_Seafront


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